Wie mein Kind zum ersten Mal Opfer vom Stockholm-Syndrom wurde
Die Geschichte ist nicht sehr lang und auch nicht besonders. Eigentlich auch alltäglich.
Wie beginnt man sowas für gewöhnlich?
Ach ja!
Es war einmal…
…ein kleiner, fast 3-jähriger Junge im Sandkasten, der vollauf zufrieden mit seinem Spielzeug spielte. Das Andere Interesse an seinen Sachen hatten war er schon gewohnt. Bagger und Kipplaster sahen schon immer für andere Kinder verführerisch aus. Doch er hatte gelernt es zu verteidigen.
An diesem Tag nun kam ein kleines Mädchen. Ein wenig größer als der Junge, aber nicht sehr viel. Sie fragte zuerst die Mutter des Jungen (mich), ob sie mitspielen durfte. Das konnte nur der Junge bestimmen und so sollte sie ihn direkt fragen.
Der Kleine sagte recht bestimmt „Nein!“. Doch das Mädchen ließ sich nicht beirren und meinte, dass sie doch Freunde wären. Das lehnte der Kleine vehement ab. „Wir sind keine Freunde!“ rief er aus. Aber auch das schreckte die Kleine nicht ab. Sie holte ihr Spielzeug und drängte sich zunehmend in sein spielen. Sie half ihm den Kipplaster zu befüllen und schaufelte mit ihm Sand in ihren Eimer. Als sie aufsprang und ihn zum Rutschen aufforderte willigte er plötzlich begeistert ein und rannte mit ihr kreischend zur Rutsche. Der Vater des Mädchens und die Mutter des Jungen konnten nur entgeistert, verwirrt aber auch nachsichtig über diese Art den Kopf schütteln.
Sie hatte ihn am Haken!
Nach dem Rutschen ging es munter weiter mit dem Schippen, Befüllen, Herumkahren. Sie drückte ihm mit Begeisterung ihre Meinung auf. Ein gelegentliches „Nein“ des Jungen wurde geflissentlich ignoriert. Er musste sie machen lassen.
Dann kam die entscheidende Frage aus dem Mund der Kleinen: „Bist du mein Freund?“
Sie hatte ihn in seinem Spielen gestört, ihn seiner Meinung beraubt… und damit geknackt. Es kam sofort ein begeistertes „Ja!“ aus dem Mund des kleinen Jungen.
Vielleicht ist der Begriff Stockholm-Syndrom in diesem Fall arg übertrieben. Aber ich konnte im ersten Moment tatsächlich nicht anders, als daran zu denken. Ich bin gespannt, wann wir das Mädchen und ihren Vater wieder am Sandkasten treffen und ob sie ihn wieder so unterdrückt bzw. vereinnahmt.